Bürgergeld: Jobcenter sanktioniert einfach durch - Gericht schreitet ein

8. September 2025
Sanktionen bei Meldeversäumnissen nach §§ 31–32 SGB II sind keine Strafen, sondern gesetzliche Folgen von Obliegenheitsverletzungen. Gerade deshalb muss das Jobcenter Ermessen ausüben: Es darf nicht Einladung an Einladung reihen und nach jedem Nichterscheinen automatisch kürzen. Fehlt diese Abwägung, liegt ein Ermessensfehler vor – Sanktionen können fallen. Ausgangsfall: 16 Einladungen in 15 Monaten – immer derselbe Zweck Im entschiedenen Verfahren erhielt eine Leistungsberechtigte 16 Meldeaufforderungen binnen 15 Monaten, jeweils mit demselben Standardzweck („Bewerberangebot/berufliche Situation“). Sie erschien nie. Das Jobcenter setzte wiederholt Sanktionen fest. Das LSG Hamburg (L 4 AS 282/16) hob hervor: In einer solchen Serien-Konstellation reicht es nicht, einfach die nächste identische Einladung zu versenden und zu kürzen. Es fehlt die erkennbare Ermessensbetätigung. Warum die Einladungs-Serie rechtsfehlerhaft war Die Einladungen enthielten keinen individuellen Grund, der die Wiederholung sachlich tragen konnte, und es blieb unerklärt, weshalb ausgerechnet die nächste Standard-Vorsprache erfolgversprechend sein sollte. Obwohl Zweifel an der Erwerbsfähigkeit bestanden, wurden Alternativen – etwa eine ärztliche oder psychologische Abklärung – nicht geprüft; statt einer erkennbaren Abwägung setzte sich ein Automatismus durch, bei dem die Einladungen faktisch nur als Durchgangsstation zur nächsten Sanktion dienten. BSG-Leitlinie: Spätestens nach der dritten gleichen Einladung muss umgeschaltet werden Das Bundessozialgericht (B 14 AS 19/14 R) hat für vergleichbare Serienfälle klargestellt: Eine rasche Abfolge gleichlautender Meldeaufforderungen ohne neue, tragfähige Gründe verletzt die Pflicht zur Ermessensausübung (Ermessensunterschreitung). Spätestens nach der dritten identischen, erneut versäumten Einladung muss das Jobcenter neu abwägen und seine Linie begründet anpassen. In die Abwägung gehört auch die gesetzliche Abstufung der Rechtsfolgen (§ 31a SGB II: 10 % bei Meldeversäumnis vs. 30 % bei Pflichtverletzung; Sachleistungen > 30 %). Zweck der Meldeaufforderung ist Fördern statt Strafen (§ 1 Abs. 2 SGB II). Das Instrument soll Eingliederung ermöglichen – nicht durch Serien-Sanktionen Leistungsansprüche aushöhlen. Diese Linie hat das LSG Hamburg ausdrücklich übernommen; weitere Landessozialgerichte haben ihr zugestimmt. Konkrete Fehler im Fall Die Einladungen beschränkten sich auf uniforme Standardzwecke („Bewerberangebot/berufliche Situation“), obwohl dem Jobcenter eine Serie von Nichterscheinen bekannt war. Weder wurde aufgearbeitet, aus welchen Gründen die Betroffene fernblieb – etwa gesundheitliche Einschränkungen, Kommunikations- oder Wegeprobleme sowie Betreuungsverpflichtungen –, noch wurden nachvollziehbare Gründe dafür dargelegt, am identischen Vorgehen festzuhalten, obwohl der Erfolg offensichtlich ausblieb. Naheliegende Alternativen wie eine medizinische oder psychologische Begutachtung, alternative Kontaktformate, zeitliche oder örtliche Anpassungen oder andere Integrationsschritte wurden nicht ernsthaft erwogen. Praxisleitfaden für Betroffene 1) Bescheid prüfen: Wiederholen sich Zweck und Textbausteine? Fehlt eine individuelle Begründung, warum gerade die erneute Standard-Vorsprache eingliederungsförderlich sein soll? Wurde auf Hinderungsgründe eingegangen? 2) Widerspruch/Klage begründen – Argumentationsanker: Ermessensunterschreitung/-defizit: Keine erkennbaren, fallbezogenen Erwägungen bei Serien-Einladungen. Zielverfehlung: Förder- statt Sanktionslogik (§ 1 Abs. 2 SGB II); reine Sanktions-Kette ist rechtswidrig. Alternativen ignoriert: Medizinische Abklärung bei Zweifeln an Erwerbsfähigkeit; andere, geeignetere Maßnahmen. 3) Eigene Mitwirkung dokumentieren: Hinderungsgründe zeitnah schriftlich darlegen (Atteste, Termine, Wegefähigkeit, Betreuung). Alternativen vorschlagen: Telefon/Video, flexible Zeiten/Orte, aufsuchende Beratung, Ärztliches.
Aktuelles
8. September 2025
Ab 1. Januar 2026 steigt der gesetzliche Mindestlohn voraussichtlich auf 13,90 €, ab 1. Januar 2027 auf 14,60 €. Weil die Minijob-Grenze gesetzlich an den Mindestlohn gekoppelt ist, klettern zugleich die zulässigen Monatsverdienste im Minijob. Für Rentnerinnen und Rentner heißt das: mehr Netto-Spielraum im Nebenjob – ohne Wechsel in die volle Sozialversicherung, solange der regelmäßige Verdienst die neue Grenze nicht übersteigt. Was konkret steigt: Mindestlohn & Minijob-Grenze Die Geringfügigkeitsgrenze wird gesetzlich nach der Formel Mindestlohn × 130 ÷ 3 auf volle Euro gerundet. Daraus ergeben sich – vorbehaltlich der formalen Umsetzung per Verordnung – folgende Orientierungswerte: Jahr Werte im Überblick 2025 Mindestlohn: 12,82 €; Minijob-Grenze (mtl.): 556 €; Stunden/Monat (ca.): 43,4; Jahresrahmen: 6.672 € 2026 Mindestlohn: 13,90 €; Minijob-Grenze (mtl.): 602 €; Stunden/Monat (ca.): 43,3; Jahresrahmen: 7.224 € 2027 Mindestlohn: 14,60 €; Minijob-Grenze (mtl.): 633 €; Stunden/Monat (ca.): 43,4; Jahresrahmen: 7.596 € Die Stundenangaben dienen der Orientierung (Monatsgrenze geteilt durch Mindestlohn). Das Modell bleibt damit praktisch bei etwa 10 Wochenstunden. Hinzuverdienst: Altersrenten ohne Obergrenze, EM-Renten mit Grenzen Wer eine Altersrente (auch vorgezogen) bezieht, darf seit 2023 unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass die Rente wegen des Hinzuverdienstes gekürzt wird. Ein Minijob im neuen Rahmen ist damit ohne Rentenabzug möglich. Bei Erwerbsminderungsrenten gelten weiterhin jährliche Hinzuverdienstgrenzen. Für 2025 liegen sie mindestens bei rund 19.661 € (volle EM) und 39.322 € (teilweise EM). Die Beträge werden regelmäßig angepasst. Wer eine EM-Rente bezieht, sollte die individuelle Grenze vor Vertragsbeginn prüfen lassen – sonst drohen Teil- oder Vollanrechnungen. Rentenpunkte trotz Ruhestand: So lohnt sich der Minijob Nach Erreichen der Regelaltersgrenze sind Beschäftigte in der Rentenversicherung grundsätzlich versicherungsfrei. Wer seine Monatsrente dennoch steigern will, kann auf die Versicherungsfreiheit verzichten und eigene Beiträge zahlen. Dann zählen die Beiträge aus dem Minijob (Arbeitgeber-Pauschale + eigener Anteil) als vollwertige Rentenbeiträge; die Rentensteigerung wird in der Regel zum 1. Juli des Folgejahres wirksam. Praktisch heißt das: Bei 2026er-Grenze (602 €) läge der eigene Anteil in einem rentenversicherungspflichtigen Minijob typischerweise bei 3,6 % des Verdienstes (Ausnahmen bei sehr niedrigen Monatslöhnen wegen Mindestbeitragsgrundlage). Wer den Verzicht erklärt, tauscht also einen kleinen Abzug gegen zusätzliche Entgeltpunkte ein – besonders interessant, wenn der Minijob länger läuft. Mehr als ein Minijob? Zusammengerechnet wird’s schnell ein Midijob Mehrere Minijobs werden addiert. Liegt die Summe regelmäßig über der Grenze, gilt die Beschäftigung nicht mehr als geringfügig; es entsteht Versicherungspflicht im sogenannten Übergangsbereich (Midijob) mit gleitend steigenden Arbeitnehmerbeiträgen. Für Rentner kann das sinnvoll sein, wenn der Verdienst deutlich über der Minijob-Grenze liegt – wegen des vollen Versicherungsschutzes und zusätzlicher Rentenpunkte. Wer nur gelegentlich überzieht, sollte mit dem Arbeitgeber eine saubere Jahresplanung abstimmen. Steuern im Minijob: häufig 2 % pauschal – und damit erledigt In vielen Fällen wählt der Arbeitgeber die einheitliche Pauschsteuer von 2 % (inkl. Soli und Kirchensteuer). Für Rentner bedeutet das in der Praxis oft brutto ≈ netto – abgesehen von eventuellen freiwilligen Rentenversicherungsbeiträgen. Alternativ ist die individuelle Besteuerung nach Lohnsteuermerkmalen möglich; das kann sinnvoll sein, wenn keine Pauschsteuer erhoben wird und persönliche Freibeträge greifen. Wichtig: Die Wahl trifft der Arbeitgeber. Privathaushalt oder Gewerbebetrieb: Unterschiede bei den Pauschalbeiträgen Im Privathaushalt zahlt der Arbeitgeber 5 % Rentenversicherungs-Pauschbeitrag (statt 15 % wie im gewerblichen Minijob). Wer als Rentner die Rentenversicherungspflicht wählt, stockt seinen Anteil entsprechend bis zum vollen Beitragssatz auf. Für Beschäftigte macht das vor allem dann einen Unterschied, wenn sie gezielt Rentenpunkte sammeln wollen. Planung für 2026/2027: So bleiben Sie sicher unter der Grenze Die Monatsgrenze ist ein Regel-/Durchschnittswert. Schwankungen sind erlaubt, solange der regelmäßige Verdienst die Grenze nicht überschreitet. Typische Stolpersteine sind Urlaubs- oder Krankheitsvertretungen mit zusätzlichen Stunden sowie mehrere Minijobs parallel. Arbeitgeber sollten die Entgeltprognose dokumentieren; Beschäftigte behalten am besten ein einfaches Stunden-/Verdienstprotokoll und melden Ausnahmen frühzeitig. Kurz-FAQ für Rentner Gilt die neue Grenze automatisch? Ja, sie ergibt sich aus der gesetzlichen Formel; eine separate Umstellung ist nicht nötig. Kann ich mir die Pauschsteuer erstatten lassen? Nein, die 2 % sind mit Abführung abgegolten; bei Pauschsteuer taucht der Verdienst nicht in der Einkommensteuererklärung auf. Bringt mir der Minijob mehr Rente, wenn ich versicherungsfrei bleibe? Nein. Rentensteigerung gibt es nur, wenn Sie die Versicherungsfreiheit aktiv aufheben. Zählt eine Einmalzahlung? Ja. Einmalzahlungen erhöhen den regelmäßigen Verdienst, wenn sie vorausschauend vereinbart sind; das kann die Geringfügigkeit kippen. Was, wenn ich 2026/2027 über der Grenze liege? Dann wird aus dem Minijob eine versicherungspflichtige Beschäftigung (Midijob/Vollzeit). Das ist nicht schlecht, nur anders zu bewerten.
8. September 2025
Häufig erreicht unsere Redaktion die Frage, wie viel Zusatzurlaub bei einem Grad der Behinderung von 30 zusteht. Dieser Frage gehen wir einmal in diesem Beitrag nach. Vorweg Ohne Schwerbehinderteneigenschaft greift das Bundesurlaubsgesetz. Danach beträgt der gesetzliche Mindesturlaub 24 Werktage bei der klassischen Sechs-Tage-Woche, was 20 Arbeitstagen bei einer Fünf-Tage-Woche entspricht. Arbeitgeber können vertraglich oder tariflich darüber hinaus mehr Urlaub gewähren, sind dazu aber nicht verpflichtet. Entscheidend ist nämlich die Unterscheidung zwischen dem Grad der Behinderung (GdB) und der Schwerbehinderteneigenschaft. Schwerbehindert sind rechtlich nur Menschen mit einem GdB von mindestens 50. Ein GdB von 30 oder 40 allein begründet keine Schwerbehinderteneigenschaft. Damit gelten für Beschäftigte mit GdB 30 zunächst die normalen Urlaubsregeln wie für alle anderen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zusatzurlaub gibt es erst ab GdB 50 Der gesetzliche Zusatzurlaub steht nur schwerbehinderten Beschäftigten zu. Das sind fünf zusätzliche bezahlte Urlaubstage pro Urlaubsjahr bei einer Fünf-Tage-Woche; bei abweichender Wochenverteilung wird anteilig umgerechnet. Für GdB 30 gilt diese Regel nicht. Gleichstellung hilft im Job – bringt aber keinen Zusatzurlaub Menschen mit GdB 30 oder 40 können sich bei der Bundesagentur für Arbeit gleichstellen lassen, wenn sie ohne Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz finden oder behalten können. Diese Gleichstellung vermittelt arbeitsrechtliche Schutzwirkungen, schafft aber keinen Anspruch auf Zusatzurlaub. Auch mit Gleichstellung bleibt es beim normalen Urlaubsanspruch, es sei denn, Tarif-, Betriebs- oder Arbeitsvertrag regeln ausdrücklich etwas Zusätzliches. Was passiert, wenn später doch GdB 50 festgestellt wird? Wird im laufenden Jahr die Schwerbehinderteneigenschaft anerkannt, entsteht der Anspruch auf Zusatzurlaub zeitanteilig: Für jeden vollen Monat, in dem die Schwerbehinderteneigenschaft besteht, gibt es ein Zwölftel des Zusatzurlaubs. Anerkennungen wirken häufig rückwirkend auf den Antragstag, sodass der Zeitraum entsprechend zählt. Gerichte behandeln den Zusatzurlaub im Grundsatz wie den gesetzlichen Mindesturlaub, etwa beim Verfall oder bei Hinweis- und Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers. Praxisbeispiel Arbeitet eine Person mit Fünf-Tage-Woche und hat einen GdB 30, beträgt ihr Urlaubsanspruch zunächst der vertragliche bzw. gesetzliche Jahresurlaub, etwa 20 Tage Mindesturlaub plus ggf. vertragliche Mehrtage. Wird später im Jahr die Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) rückwirkend zum 1. April festgestellt, entstehen für April bis Dezember neun Zwölftel des Zusatzurlaubs. Bei einer Fünf-Tage-Woche wären das 9/12 von 5 = 3,75, üblicherweise auf 4 zusätzliche Tage aufgerundet, die zum bestehenden Urlaubsanspruch hinzukommen. Öffentlicher Dienst und betriebliche Regelungen Im öffentlichen Dienst und in manchen Branchen gibt es tarifliche oder betriebliche Sonderregeln. Diese können den Urlaubsanspruch über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus erhöhen. Für den gesetzlichen Zusatzurlaub bleiben jedoch die Hürden unverändert: Er setzt die Schwerbehinderteneigenschaft voraus. Prüfen Sie daher Arbeitsvertrag, Tarifvertrag und ggf. Betriebsvereinbarungen genau. Fazit Bei GdB 30 besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Zusatzurlaub. Maßgeblich sind der Mindesturlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz und etwaige vertragliche oder tarifliche Mehrurlaube. Erst mit GdB 50 entsteht der gesetzliche Zusatzurlaub, der bei unterjähriger Anerkennung zeitanteilig berechnet wird. Wer mit GdB 30 eine Gleichstellung erhält, gewinnt arbeitsrechtlichen Schutz, nicht jedoch zusätzliche Urlaubstage—es sei denn, interne oder tarifliche Regeln gewähren sie ausdrücklich.
8. September 2025
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat ein aufsehenerregendes Urteil zur Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) gefällt. In dem Verfahren hob der 3. Senat eine erstinstanzliche Entscheidung des Sozialgerichts Gelsenkirchen auf, das einer Klägerin zuvor eine befristete EM-Rente zugesprochen hatte. Das LSG wies die Klage ab und verhängte zusätzlich Missbrauchskosten in Höhe von 1.000 Euro. Das Urteil unterstreicht, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen allein nicht genügen: Entscheidend sind die rechtlichen und medizinischen Tatbestandsvoraussetzungen des § 43 SGB VI sowie deren Nachweis im maßgeblichen Zeitraum. Der Fall: Vom erstinstanzlichen Zuspruch zur vollständigen Abweisung Die Klägerin hatte im Mai 2016 eine EM-Rente beantragt. Das Sozialgericht verurteilte die Rentenversicherung im April 2021, eine befristete Rente ab Antragstellung zu zahlen. Auf die Berufung der Deutschen Rentenversicherung änderte das LSG das Urteil jedoch ab: Die Klage wurde insgesamt abgewiesen, außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet, und wegen missbräuchlicher Fortführung des Rechtsstreits wurden der Klägerin 1.000 Euro auferlegt. Damit korrigierte das LSG nicht nur die medizinische und versicherungsrechtliche Bewertung, sondern auch formale Fehler des erstinstanzlichen Tenors. Der rechtliche Rahmen: Was § 43 SGB VI verlangt Für einen Anspruch auf EM-Rente müssen Versicherte drei Voraussetzungen erfüllen. Erstens muss eine rentenrechtlich relevante Erwerbsminderung vorliegen. Zweitens sind in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung grundsätzlich 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen erforderlich. Drittens muss die allgemeine Wartezeit erfüllt sein. Nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich arbeiten kann; teilweise erwerbsgemindert ist, wer diese Schwelle unterschreitet, voll erwerbsgemindert ist, wer dauerhaft weniger als drei Stunden leisten kann. Diese Schwellenwerte – die sogenannte „Sechs-Stunden-Regel“ – sind das medizinisch-rechtliche Kriterium. Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich Das LSG stützte sich auf mehrere Gutachten aus verschiedenen Fachrichtungen und gelangte zu einer klaren Leistungsbeurteilung: Die Klägerin konnte leichte Tätigkeiten unter üblichen Marktbedingungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Hinweise auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung im für den Anspruch maßgeblichen Zeitraum sah der Senat nicht hinreichend belegt; inkonsistente Befundlagen, mangelhafte Therapiadokumentation sowie fehlende Objektivierbarkeit einzelner Symptome schwächten die Belastbarkeit der vorgelegten Befunde. Ereignisse nach dem letztmals erfüllten Beitragszeitraum – etwa spätere Krankenhaus- oder Reha-Episoden – waren für die Entscheidung ohne Anspruchsrelevanz. Damit fehlte es bereits an der medizinischen Grundvoraussetzung. Die versicherungsrechtliche Hürde: 36 Pflichtbeitragsmonate im Fünfjahreszeitraum Neben der medizinischen Bewertung prüfte der Senat die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Ausgehend vom letztmals erfüllten Zeitpunkt der besonderen Voraussetzungen stellte das Gericht fest, dass die erforderlichen 36 Pflichtbeitragsmonate nur bis Ende November 2021 vorlagen. Darüber hinaus fehlten rentenrechtliche Zeiten. Damit scheiterte der Anspruch – selbständig neben der medizinischen Würdigung – auch an der fehlenden Wartezeit im relevanten Fünfjahreskorridor. Das LSG erinnerte daran, dass Ausnahmen – insbesondere die vorzeitige Wartezeiterfüllung – nur in eng definierten Konstellationen eingreifen, etwa bei Arbeitsunfall oder bestimmten Ausbildungsfällen. Anknüpfend an Recht und Verwaltungspraxis gilt: Ohne die 36 Pflichtbeitragsmonate im maßgeblichen Zeitraum besteht grundsätzlich kein Anspruch. Ausnahmefälle: Vorzeitige Wartezeiterfüllung bleibt die seltene Ausnahme Das Sozialrecht kennt Ausnahmen von der 36-Monate-Regel, doch diese sind eng. Eine vorzeitige Wartezeiterfüllung kommt etwa in Betracht, wenn die volle Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eintritt, der die allgemeine Wartezeit ersetzt, typischerweise ein Arbeitsunfall oder bestimmte Ausbildungsnahe Konstellationen. Auch hierzu existiert gefestigte Rechtsprechung. Für Betroffene bedeutet das: Nur wenn die Voraussetzungen dieser Ausnahmetatbestände schlüssig dargelegt und bewiesen werden, lässt sich der Beitragsmangel überwinden. Kostensanktion: Wenn das Prozessrisiko zur Kostenfalle wird Besondere Beachtung verdient die Kostenentscheidung. Das LSG legte der Klägerin Missbrauchskosten nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auf. Die Norm ermöglicht es, bei missbräuchlicher Rechtsverfolgung oder Fortführung eines aussichtslosen Verfahrens eine pauschale Kostenlast zu verhängen. Nach der Neufassung der Vorschrift ist die Auferlegung solcher Kosten erleichtert worden. Für Klägerinnen und Kläger heißt das: Wer trotz eindeutiger Hinweise des Gerichts ein aussichtsloses Begehren weiterverfolgt, riskiert empfindliche Zusatzkosten – im vorliegenden Fall 1.000 Euro. Was das Urteil praktisch bedeutet Das Urteil bestätigt mit großer Klarheit die strenge Zweistufigkeit des Prüfprogramms bei der EM-Rente. Zunächst ist medizinisch zu klären, ob die Leistungsfähigkeit unter sechs Stunden täglich gesunken ist und ob dies auf nicht absehbare Zeit gilt. Erst dann lohnt der Blick auf die versicherungsrechtlichen Hürden. Fehlt eines der Elemente, scheitert der Anspruch. Für ältere Versicherte und Personen mit diskontinuierlichen Erwerbsbiografien ist der Blick auf die Beitragskonten ebenso wichtig wie die lückenlose medizinische Dokumentation. Wichtig ist zudem der richtige zeitliche Zuschnitt: Es kommt auf die Verhältnisse im Fünfjahresrahmen vor Eintritt der Erwerbsminderung an, nicht auf spätere Verschlechterungen, die außerhalb dieses Zeitraums liegen. Konsequenzen für Verfahren: Sorgfalt vor Schnelligkeit Das Verfahren zeigt, wie wichtig eine konsistente Beweisführung ist. Medizinische Gutachten müssen zueinander passen, Befunde sollten reproduzierbar sein, Therapiepfade schlüssig dokumentiert werden. Ebenso zentral ist die versicherungsrechtliche „Hausaufgabe“: Beitragszeiten – einschließlich Kindererziehungs- und Pflegezeiten – sollten frühzeitig geklärt, Nachweise vollständig zusammengetragen und mögliche Ausnahmetatbestände rechtlich sauber begründet werden. Wer gerichtliche Hinweise ignoriert, setzt sich nicht nur einem materiellen Risiko aus, sondern auch prozessualen Sanktionen. Fazit: Ein Warnsignal – und eine Orientierungshilfe Die Entscheidung des LSG NRW ist ein deutliches Warnsignal: Eine EM-Rente wird nur gewährt, wenn sowohl die medizinischen als auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zweifelsfrei erfüllt sind. Krankheit als solche genügt nicht. Die Sechs-Stunden-Schwelle bleibt das Nadelöhr der medizinischen Prüfung; die 36-Monate-Anforderung im Fünfjahreskorridor ist die zweite, eigenständige Hürde. Wer ein Verfahren ohne tragfähige Grundlage fortsetzt, riskiert darüber hinaus Missbrauchskosten. Für Betroffene empfiehlt sich daher eine frühzeitige, gründliche Prüfung des eigenen Leistungsvermögens und der Beitragsbiografie – idealerweise mit fachkundiger Beratung.
8. September 2025
Wer gesetzlich versichert ist, zahlt für viele Leistungen zu – aber nur bis zu einer persönlichen Belastungsgrenze pro Kalenderjahr. Diese Grenze liegt regulär bei zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Haushalts und bei schwerwiegend chronisch Erkrankten bei einem Prozent. Sobald die Grenze erreicht ist, werden Versicherte für den Rest des Jahres von weiteren Zuzahlungen befreit; zu viel gezahlte Beträge erstattet die Kasse. Finanziell entscheidend sind drei Stellschrauben: erstens die korrekte Berechnung mit allen Freibeträgen, zweitens eine lückenlose Dokumentation der Zahlungen und drittens – wenn planbar – die Vorausbescheinigung, mit der Kosten gar nicht erst anfallen. Was zählt – und was nicht: Zuzahlungen im Überblick Zur Belastungsgrenze angerechnet werden die gesetzlichen Zuzahlungen, etwa: bei Arznei- und Verbandmitteln (zehn Prozent, mindestens fünf und höchstens zehn Euro je Abgabe, nie mehr als der tatsächliche Preis) bei Heilmitteln (zehn Prozent plus zehn Euro je Verordnung), bei Hilfsmitteln (zehn Prozent, mindestens fünf und höchstens zehn Euro je Stück; bei Verbrauchshilfsmitteln maximal zehn Euro im Monat) bei Krankenhausbehandlung (zehn Euro pro Kalendertag, begrenzt), bei stationären Vorsorge- und Rehaleistungen (zehn Euro pro Tag) bei Fahrkosten (zehn Prozent, mindestens fünf und höchstens zehn Euro je Fahrt). Kinder und Jugendliche sind bis zum 18. Geburtstag grundsätzlich zuzahlungsfrei; die Ausnahme bilden Fahrkosten. Nicht angerechnet werden freiwillige Extras wie IGeL, Komfort-Hilfsmittel oder Aufzahlungen oberhalb der Kassenversorgung – solche Ausgaben gehören eher in die Steuerakte (außergewöhnliche Belastungen), nicht in die Zuzahlungsmappe. Einkommen richtig ansetzen: Freibeträge 2025 senken die Grenze spürbar Die Bemessung orientiert sich an den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des gesamten Haushalts, die um feste Freibeträge reduziert werden. Für 2025 gilt: Die bundeseinheitliche Bezugsgröße beträgt 3.745 € monatlich bzw. 44.940 € jährlich. Daraus folgen die maßgeblichen Abzugsbeträge: 6.741 € für den ersten berücksichtigungsfähigen Angehörigen (Ehegatte/Lebenspartner), 4.494 € für jeden weiteren Erwachsenen im Haushalt und – gesondert – 9.600 € je Kind. Genau diese Beträge drücken die anrechenbare Einkommensbasis und damit die persönliche 2 %- bzw. 1 %-Grenze oft dramatisch nach unten. Sonderfall Sozialleistungen: Wer Bürgergeld, Sozialhilfe oder Grundsicherung im Alter/bei Erwerbsminderung bezieht, hat eine fixe Belastungsgrenze – 2025 sind das 135,12 € jährlich (bzw. 67,56 € mit Chronikerstatus), unabhängig von individuellen Bruttoeinnahmen. Für Betroffene ist dieser Festbetrag der schnellste Weg zur Befreiung. Chronikerregel auf 1 %: So gelingt der Nachweis ohne Diskussion Die Ein-Prozent-Grenze greift bei einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung, wenn die Person seit mindestens einem Jahr wegen derselben Erkrankung je Quartal ärztlich in Behandlung ist und mindestens ein weiteres Kriterium erfüllt (zum Beispiel kontinuierliche, medizinisch erforderliche Therapie; Pflegegrad 3–5; GdB/MdE ≥ 60). Für die Kasse zählt ein formaler, knapper Nachweis: Das Muster 55 („Bescheinigung einer schwerwiegenden chronischen Erkrankung“), ausgestellt von der behandelnden Praxis. Mit diesem Vordruck lässt sich der Chronikerstatus in der Regel friktionsfrei dokumentieren. Drei Rechenbeispiele 2025 – was am Ende wirklich zu zahlen ist Alleinstehende Rentnerin mit 14.400 € Jahresbruttorente, keine Freibeträge: Belastungsgrenzen: 2 % = 288 €, 1 % = 144 €. Verheiratet, zwei Kinder, 30.000 € Jahresbrutto: 30.000 € − 6.741 € (Partner) − 2 × 9.600 € (Kinder) = 4.059 € anrechenbar. Belastungsgrenzen: 2 % = 81,18 €, 1 % = 40,59 €. Bürgergeld-Haushalt (Festbetrag): Belastungsgrenzen: 135,12 € (2 %) bzw. 67,56 € (1 %). Die Beispiele zeigen: Familien mit Kindern und Haushalte mit niedrigen Einkommen durchbrechen die Grenze oft schon mit wenigen Rezepten, Krankenhaus- oder Fahrkosten – eine Vorauszahlung spart hier Aufwand und Liquidität. Vorausbescheinigung: Einmal zahlen, das ganze Jahr entspannt bleiben Wer absehbar die persönliche Grenze erreicht (chronische Verordnungen, planbare Therapien oder Reha), kann den Grenzbetrag im Voraus an die Kasse überweisen. Die Kasse stellt dann eine Befreiungsbescheinigung für das laufende (oder kommende) Jahr aus. Vorteil: Keine Zuzahlungen mehr an Praxis, Apotheke oder Krankenhaus; keine Sammelarbeit; kein Liquiditätsloch durch Vorkasse. Sinnvoll ist das vor allem bei stabilen Einkommensverhältnissen (z. B. Rente), bei gesichertem Chronikerstatus und in Haushalten mit vielen Freibeträgen, deren Grenze ohnehin niedrig liegt. Wer stark schwankendes Einkommen hat, fährt mit Nachweis und rückwirkender Erstattung oft besser. Belegmappe, aber richtig: So belegen Betroffene die 1 %/2 %-Grenze Eine Apotheken-Jahresübersicht bündelt alle Medikamentenzuzahlungen; weitere Belege (Krankenhaus, Reha, Heil-/Hilfsmittel, Fahrten) kommen chronologisch dazu. Bei Versandapotheken und Fahrdiensten zählen Kontoauszüge/Rechnungen mit Zahlungsnachweis. Wichtig: Familienprinzip beachten – alle Zuzahlungen der mitversicherten Angehörigen im gemeinsamen Haushalt werden zusammengezählt. Nachweise zu Einkommen und Freibeträgen (z. B. Rentenbezugsmitteilung, Lohnabrechnungen, Nachweise zu Kindern/Pflegegrad) gehören in denselben Ordner, damit die Kasse die Grenze ohne Rückfragen festsetzt. Rückwirkend Geld holen: Wer erst am Jahresende oder später die Belege sortiert, kann bis zu vier Jahre rückwirkend zu viel gezahlte Zuzahlungen erstatten lassen. Das gilt auch, wenn im Jahr selbst keine Befreiung beantragt wurde. Antrag stellen und Ablehnungen „knacken“: So setzt du deinen Anspruch durch Ein Befreiungsantrag gilt immer je Kalenderjahr und muss jährlich neu gestellt werden; mit Bescheid erhältst du einen Befreiungsausweis. Bei Ablehnungen prüfen Betroffene systematisch drei Fehlerquellen: Freibeträge übersehen oder zu niedrig angesetzt. Dann die Einkommensaufstellung korrigieren und die 2025er Freibeträge nachreichen (6.741 € Partner; 4.494 € je weiterer Erwachsener; 9.600 € je Kind). Chronikerstatus nicht anerkannt. Muster 55 nachreichen; bei Bedarf Quartalsbelege der Arztkontakte beifügen und die fortlaufende Therapie belegen. Zahlungen nicht angerechnet. Nur gesetzliche Zuzahlungen zählen; wo sie geleistet wurden, belegen Quittungen, Rechnungen oder Kontoauszüge. Wird etwas fälschlich als „Aufzahlung“ gewertet, lohnt sich eine kurze Begründung, warum es sich um eine gesetzliche Zuzahlung handelt (z. B. Hilfsmittel im Regelsystem, keine Komfortausstattung). Fristen und Rechtsbehelf: Gegen einen ablehnenden Bescheid läuft in der Regel eine Monatsfrist für den Widerspruch. Parallel kann Akteneinsicht verlangt werden, um die Berechnungsgrundlagen zu überprüfen. Wird die Frist verpasst, bleibt der Weg über eine rückwirkende Erstattung (bis zu vier Jahre) mit sauberer Belegmappe. Kompakte Übersicht (2025) Punkt Regel/Betrag Belastungsgrenze 2 % der berücksichtigten Jahres-Bruttoeinnahmen; Chroniker 1 % Freibetrag Partner 6.741 € (15 % der Bezugsgröße 2025) Freibetrag weiterer Erwachsener 4.494 € (10 % der Bezugsgröße 2025) Freibetrag je Kind 9.600€ Bezugsgröße 2025 3.745 €/Monat = 44.940 €/Jahr Sozialleistungs-Festbetrag 135,12 € (2 %) / 67,56 € (1 %) Arznei/Verbandmittel 10 % (min. 5 €, max. 10 € je Abgabe) Heilmittel 10 % + 10 € je Verordnung Hilfsmittel (Stück) 10 % (min. 5 €, max. 10 € je Stück) Hilfsmittel (Verbrauch) 10 % je Einheit, max. 10 €/Monat Krankenhaus 10 €/Tag, begrenzt pro Jahr Vorsorge/Reha (GKV) 10 €/Tag; AHB mit Jahresgrenzen Fahrkosten 10 % (min. 5 €, max. 10 € je Fahrt) Kinder < 18 Zuzahlungsfrei (Ausnahme: Fahrkosten) Vorauszahlung Befreiungsausweis für laufendes/folgendes Jahr
8. September 2025
Für viele gesetzlich Rentenversicherte ist sie die heikelste Frage im Rentenantrag: Soll das Arbeitsentgelt für die letzten Monate bis zum Rentenbeginn hochgerechnet werden – ja oder nein? Hinter dieser scheinbar simplen Entscheidung verbirgt sich eine Weichenstellung mit Wirkung auf die gesamte Rentenlaufzeit und Höhe der Rente. Wer hier unbedacht ankreuzt, kann auf Dauer Rentenanspruch verschenken. Zugleich ist die Sache komplex, weil die richtige Antwort nicht pauschal ist, sondern vom individuellen Erwerbsverlauf in den Monaten vor dem Rentenstart abhängt. Der Status quo: Zwei Wege, ein Vergleich Aktuell sieht das Verfahren zweierlei Möglichkeiten vor. Entweder die Rentenversicherung rechnet das voraussichtliche Arbeitsentgelt für die letzten drei Monate vor Rentenbeginn hoch und legt diese Werte der Erstberechnung zugrunde. Oder sie verzichtet darauf und wartet das tatsächlich erzielte Entgelt ab, das der Arbeitgeber nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses meldet. Der Dreh- und Angelpunkt ist der Vergleich zwischen zwei Größen: einerseits dem realen Verdienst in den drei Monaten unmittelbar vor Rentenbeginn, andererseits dem durchschnittlichen monatlichen Entgelt der zwölf Monate davor. Liegt der Zwölfmonatsdurchschnitt höher als der reale Dreimonatsverdienst, ist die Hochrechnung in der Regel vorteilhaft. Übersteigt dagegen der tatsächliche Verdienst in den letzten drei Monaten diesen Durchschnitt – etwa wegen Überstunden, Zuschlägen oder einer Sonderzahlung –, kann der Verzicht auf die Hochrechnung die bessere Wahl sein. Das Problem: Die Durchschnittsbildung ist für Laien oft schwer nachzuvollziehen, Detailfragen – etwa zu Einmalzahlungen oder schwankenden Arbeitszeiten – sorgen für Unsicherheit. Hinzu kommt ein Nachteil bei der Option „ohne Hochrechnung“: Der Rentenbescheid kann erst erlassen werden, wenn der Arbeitgeber das letzte Entgelt gemeldet hat. In der Praxis bedeutet das vielfach, dass der erste Bescheid und die erste, mitunter sogar die zweite Monatszahlung erst mit Verzögerung nach Rentenbeginn eintreffen. Geplante Neuregelung: Automatik statt Abwägung Genau hier setzt ein im politischen Verfahren befindlicher Gesetzentwurf an, der – vereinfacht gesprochen – ein neues Standardverfahren für die letzten drei Monate schaffen will. Künftig soll zunächst für alle Versicherten automatisch eine Hochrechnung vorgenommen werden. Damit entfiele die Entscheidungslast im Antrag, und die Rentenversicherung wäre in der Lage, frühzeitig zu bescheiden und die erste Zahlung pünktlich zum Rentenbeginn anzuweisen. Die gegenwärtig häufigen Wartezeiten allein wegen offener Arbeitgebermeldungen ließen sich so weitgehend vermeiden. Für die Betroffenen bedeutet dies mehr Planungssicherheit und einen administrativ schlankeren Übergang in die Rente. Eingebaute Ergebnissicherung: Niemand soll schlechter gestellt werden Die naheliegende Sorge, eine automatische Hochrechnung könne ungünstiger sein, wenn in den letzten drei Monaten tatsächlich mehr verdient wurde, adressiert der Entwurf mit einem klaren Sicherungsmechanismus. Sobald die realen Entgeltdaten der letzten Monate vorliegen, prüft die Rentenversicherung von Amts wegen, also ohne zusätzlichen Antrag. Ergibt die Neuberechnung mit den tatsächlichen Werten eine höhere Rente, ergeht ein neuer Bescheid; Differenzen für bereits gezahlte Monate werden nachgezahlt, künftige Zahlungen erfolgen in der höheren Höhe. Ist die Rente auf Basis der Hochrechnung hingegen günstiger als auf Basis der tatsächlichen Werte, bleibt es beim ursprünglich festgesetzten Betrag – ein neuer Bescheid ist dann nicht nötig. Mit anderen Worten: Die Automatik soll nur Vorteile eröffnen und keinen Nachteil zulassen. Sonderfälle in der Praxis: Einmalzahlungen und schwankende Einkommen Gerade in den letzten Monaten eines Beschäftigungsverhältnisses treten in der Praxis Konstellationen auf, die den Dreimonatsverdienst atypisch erhöhen oder absenken. Dazu zählen Bonuszahlungen, Abgeltungen von Resturlaub, Abschlussprämien oder umgekehrt reduzierte Arbeitszeiten beim schrittweisen Übergang in die Rente. Die automatische Hochrechnung verschafft in diesen Fällen einen zügigen Bescheid. Kommt es später zu einer Abweichung, korrigiert die Rentenversicherung den Betrag. Wer etwa im letzten Monat vor Rentenbeginn noch eine Einmalzahlung erhält, profitiert nachträglich, sobald die Meldung vorliegt. Fällt eine erwartete Zahlung aus oder ist geringer, schützt die Regel, wonach eine günstigere Hochrechnung bestehen bleiben kann, vor Nachteilen. Damit wird die Unsicherheit aus der bisherigen Antragssituation spürbar reduziert. Zeitplan und Verfahren: Was bis zur Einführung gilt Nach derzeitigem Stand ist vorgesehen, dass das neue Hochrechnungsverfahren zum 1. Januar 2027 in Kraft tritt. Bis dahin bleibt es beim bisherigen Wahlrecht im Antrag und damit bei der Notwendigkeit, die eigene Erwerbssituation genau zu prüfen. Maßgeblich ist weiterhin der Vergleich zwischen dem real erzielten Verdienst in den drei Monaten unmittelbar vor Rentenbeginn und dem durchschnittlichen Entgelt der vorhergehenden zwölf Monate. Wer stark schwankende Einkommen hat oder mit Sonderzahlungen rechnet, sollte die Varianten sorgfältig gegenüberstellen. Fachkundige Beratung kann helfen, die individuellen Daten korrekt zu bewerten und vermeidet Missverständnisse bei der Durchschnittsbildung oder der Einordnung von Einmalzahlungen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass es sich beim beschriebenen Vorhaben um ein laufendes Gesetzgebungsverfahren handelt. Im parlamentarischen Prozess sind Änderungen möglich, die den Zeitplan, Detailregeln oder Übergangsbestimmungen betreffen könnten. Für Betroffene mit Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2027 ist es daher ratsam, die Entwicklung im Blick zu behalten, ohne jedoch die konkrete Antragstellung aufzuschieben, wenn der Rentenbeginn naht. Auswirkungen im Überblick: Vereinfachung, Tempo, Rechtssicherheit Die geplante Automatisierung ist mehr als eine kosmetische Anpassung. Sie beseitigt einen zentralen Komplexitätstreiber, der bislang Antragstellerinnen und Antragsteller zu einer Entscheidung zwingt, die exakte Kenntnis und Prognosefähigkeit voraussetzt. Sie beschleunigt das Verfahren, weil der Bescheid nicht länger von der letzten Arbeitgebermeldung abhängt. Und sie erhöht die Rechtssicherheit durch die nachgelagerte, automatische Überprüfung mit eingebauter Besserstellungslogik. Der Übergang vom Erwerbsleben in die Rente wird hierdurch nachvollziehbarer und für alle Beteiligten planbarer. Was Betroffene jetzt konkret tun können Wer in den kommenden Monaten oder Jahren – aber vor 2027 – in Rente geht, sollte die eigene Einkommensentwicklung im letzten Jahr vor dem Rentenbeginn prüfen. Dabei lohnt sich ein nüchterner Blick auf die zwölfmonatige Durchschnittsbildung und eine realistische Einschätzung des Dreimonatszeitraums unmittelbar vor dem Start der Rente. Fällt dieser Zeitraum voraussichtlich schwächer aus, kann die Hochrechnung vorteilhaft sein; ist er voraussichtlich stärker, etwa durch Boni oder Abschlusszahlungen, kann der Verzicht auf die Hochrechnung sinnvoll sein – auch wenn dies den Bescheid verzögern kann. Wichtig ist, die Entscheidung nicht aus dem Bauch heraus zu treffen, sondern anhand konkreter Zahlen oder mit fachlichem Rat. Fazit: Heute sorgfältig abwägen, morgen automatisch abgesichert Bis zum geplanten Start am 1. Januar 2027 bleibt die Entscheidung über die Hochrechnung eine individuelle Rechenfrage mit spürbaren Folgen für die Rentenhöhe und den Zahlungsbeginn. Wer jetzt an der Schwelle zur Rente steht, sollte die eigenen Zahlen prüfen oder prüfen lassen, um die vorteilhaftere Option zu wählen. Mit der Reform würde diese Hürde fallen: Die Rente würde zunächst auf Basis einer Hochrechnung festgesetzt, später automatisch mit den tatsächlichen Werten abgeglichen – mit dem Ergebnis, dass niemand schlechter gestellt wird und Nachzahlungen bei Besserstellung erfolgen. Das vereinfacht Anträge, beschleunigt Bescheide und stärkt die Fairness im Verfahren.
8. September 2025
In Deutschland existiert – entgegen einem verbreiteten Missverständnis – kein allgemeiner Rechtsanspruch auf eine Abfindung. Ob und wann eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes fließt, hängt von einigen klar umrissenen Gesetzesfällen, von Sozialplan-Regelungen in Betrieben und vor allem von Verhandlungen ab. Gesetzliche Ansprüche: Die Ausnahmen von der Regel "Ein zwingender Anspruch entsteht insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung im Kündigungsschreiben ausdrücklich eine Abfindung nach § 1a KSchG anbietet und die/der Gekündigte dafür auf eine Klage verzichtet", sagt der Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Lange aus Hannover. Die gesetzliche Formel lautet ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr. Ohne ein solches Angebot gibt es aus § 1a KSchG keinen Anspruch. Kommt es zum Kündigungsschutzprozess und stellt das Gericht fest, dass die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, kann es das Arbeitsverhältnis gegen Abfindung auflösen, wenn einer Seite die Fortsetzung unzumutbar ist. "Die einschlägigen Vorschriften (§§ 9, 10 KSchG) setzen Höchstgrenzen von regelmäßig bis zu 12 Monatsgehältern; bei langjähriger Betriebszugehörigkeit und höherem Alter steigen die Kappungsgrenzen auf bis zu 18 Monatsgehälter", so Lange. Für leitende Angestellte gilt eine Besonderheit: Auf ihren Status abgestimmt kann der Arbeitgeber sogar ohne Begründung die gerichtliche Auflösung gegen Abfindung beantragen (§ 14 Abs. 2 KSchG). Ob jemand leitend ist, beurteilt sich streng – etwa nach der Rechtsmacht, eigenständig einzustellen oder zu entlassen. Sozialplan und Nachteilsausgleich: Abfindungen bei Betriebsänderungen Findet eine Betriebsänderung statt, einigen sich Arbeitgeber und Betriebsrat häufig auf einen Sozialplan. Dessen Zweck ist, wirtschaftliche Nachteile der Beschäftigten auszugleichen; Abfindungen sind das zentrale Instrument. Kommt ein Interessenausgleich nicht zustande oder wird er missachtet, kann ein Nachteilsausgleich nach § 113 BetrVG fällig werden – faktisch ebenfalls eine Abfindung. Die konkrete Höhe ergibt sich aus dem Sozialplan, nicht aus dem Gesetz. Tabelle: Wann kann eine Abfindung nach eine Kündigung durchgesetzt werden? Situation Abfindung möglich, weil … Betriebsbedingte Kündigung mit ausdrücklichem § 1a-KSchG-Angebot im Kündigungsschreiben der Arbeitgeber eine Abfindung zusagt, wenn keine Klage erhoben wird (Regel: 0,5 Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr). Kündigungsschutzklage erfolgreich; gerichtliche Auflösung (§§ 9, 10 KSchG) das Gericht das Arbeitsverhältnis wegen Unzumutbarkeit auflöst und eine Abfindung festsetzt (innerhalb gesetzlicher Höchstgrenzen). Vergleich im Kündigungsschutzprozess beide Seiten den Rechtsstreit durch Beendigung gegen Abfindung einvernehmlich beilegen. Aufhebungsvertrag Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beendigung frei verhandeln und dabei eine Abfindung vereinbaren. Sozialplan bei Betriebsänderung (BetrVG) Betriebsrat und Arbeitgeber Abfindungen zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile vorsehen. Nachteilsausgleich (§ 113 BetrVG) der Arbeitgeber einen Interessenausgleich unterlässt oder davon abweicht und deshalb Ausgleichszahlungen fällig werden. Leitende Angestellte: gerichtliche Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers (§ 14 Abs. 2 KSchG) das Gericht das Arbeitsverhältnis gegen Abfindung beendet, ohne dass ein Kündigungsschutzverstoß festgestellt werden muss. Auflösungsantrag der Arbeitnehmerseite nach gewonnenem Prozess (§ 9 KSchG) trotz Unwirksamkeit der Kündigung die Fortsetzung unzumutbar ist und das Gericht eine Abfindung zuspricht. Änderungskündigung, die im Verfahren durch Vergleich in Beendigung umgewandelt wird die Parteien statt Änderungsbedingungen eine Beendigung gegen Abfindung vereinbaren. Betriebsschließung/Standortabbau mit Betriebsrat Abfindungen regelmäßig über Sozialplan oder Vergleiche vereinbart werden. Kleinbetrieb ohne allgemeinen Kündigungsschutz kein Rechtsanspruch besteht, Abfindungen aber durch Aufhebungsvertrag oder Vergleich ausgehandelt werden können. Unwirksame Befristung oder andere Beendigungsmängel die Prozessrisiken zu einer einvernehmlichen Abfindungslösung führen (Vergleich). Die Praxisfälle: Abfindung durch Verhandlung "Die meisten Abfindungen entstehen außerhalb eines gesetzlichen Automatismus, nämlich durch Verhandlungen – entweder im Rahmen eines Aufhebungsvertrags oder als Vergleich im Kündigungsschutzprozess" betont Lange. Hintergrund ist das wechselseitige Prozess- und Kostenrisiko: Arbeitgeber „kaufen“ sich Rechtsfrieden, Arbeitnehmer verzichten auf den Arbeitsplatz. Wichtig für Verhandlungsspielräume ist die Drei-Wochen-Frist: Wer die Wirksamkeit einer Kündigung angreifen will, muss binnen drei Wochen nach Zugang Kündigungsschutzklage erheben (§ 4 KSchG). Danach gilt die Kündigung grundsätzlich als wirksam. Fälle mit eher seltenen Abfindungen – und Ausnahmen In Kleinbetrieben mit in der Regel nicht mehr als zehn Beschäftigten greift das Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich nicht. Das schmälert die Chancen auf eine gerichtlich erstrittene Abfindung; vertragliche oder freiwillig ausgehandelte Zahlungen bleiben aber möglich. Bei verhaltensbedingten Kündigungen werden Abfindungen seltener angeboten, weil Arbeitgeber sich im Recht wähnen; gleichwohl enden viele Streitfälle in Vergleichen. Bei befristeten Verträgen, die schlicht auslaufen, gibt es im Normalfall keine Abfindung – es sei denn, Befristung oder Beendigung sind angreifbar. Diese Konstellationen beruhen nicht auf speziellen Abfindungsnormen, sondern auf Verhandlungslösungen; einen gesetzlichen Anspruch gibt es hier nicht. Wie hoch fällt eine Abfindung aus? Die häufig zitierte „halbe Monatsvergütung pro Jahr“ ist nur die Formel des § 1a KSchG und eine gängige Verhandlungsorientierung – kein allgemeinverbindlicher Satz. In Gerichtsauflösungen setzt § 10 KSchG Obergrenzen (12/15/18 Monatsgehälter je nach Alter und Betriebszugehörigkeit). In Sozialplänen arbeiten die Parteien mit eigenen Formeln, etwa mit Faktoren für Lebensalter, Betriebszugehörigkeit und Unterhaltspflichten; maßgeblich ist stets der konkrete Plan. Schauen Sie auch hier: Kündigung: So hoch muss die Abfindung mindestens sein - Abfindungstabelle für 2025 Steuern, Sozialversicherung, Arbeitsagentur: Was die Abfindung auslöst Abfindungen sind steuerpflichtig. Zur Milderung der Progression kommt in der Einkommensteuerveranlagung regelmäßig die Fünftelregelung (§ 34 EStG) in Betracht. Seit 1. Januar 2025 gilt jedoch: Die Fünftelregelung wird beim Lohnsteuerabzug nicht mehr angewandt; die Begünstigung ist über die Steuererklärung zu realisieren. Das hat vor allem Liquiditäts-, nicht aber materielle Nachteile. Wichtig bleibt die „Zusammenballung der Einkünfte“, also der Zufluss im Wesentlichen in einem Jahr. Sozialversicherung. „Echte“ Abfindungen, die den Verlust des Arbeitsplatzes entschädigen, sind nicht beitragspflichtig zur Sozialversicherung. Zahlungen, die verdientes Entgelt ersetzen oder Arbeitszeitveränderungen ausgleichen, können hingegen beitragspflichtig sein. Zwei Dinge sind zu unterscheiden. Erstens kann das Arbeitslosengeld ruhen (§ 158 SGB III), wenn das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Kündigungsfrist endet und hierfür eine Abfindung gezahlt wird; das verschiebt den Beginn der Zahlung, kürzt den Gesamtanspruch aber nicht. Zweitens droht bei Aufhebungsverträgen regelmäßig eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen (§ 159 SGB III), die den Gesamtanspruch verkürzt – es sei denn, es liegt ein wichtiger Grund vor (z. B. drohende betriebsbedingte Kündigung zu denselben Bedingungen). Offizielle Merkblätter und Weisungen der Bundesagentur erläutern die Details. Aufhebungs- und Abwicklungsverträge: Chancen und Fallstricke Wer einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, verhandelt die Abfindung frei – gleichzeitig tragen Beschäftigte das Sperrzeitrisiko und sollten auf die Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist oder eine tragfähige Begründung achten, um Nachteile zu vermeiden. Laufende Restansprüche (z. B. Urlaub, Überstunden) sind sauber zu regeln, ebenso der Zahlungszeitpunkt der Abfindung mit Blick auf Steuerfragen. Fachbeiträge zeigen, dass eine sorgfältige Gestaltung Sperrzeiten vermeiden kann, wenn objektive Gründe bestehen. Was Betroffene jetzt konkret tun sollten Nach Zugang einer Kündigung ist die Drei-Wochen-Frist wichtig, denn sonst kann nur noch in schwerwiegenden Fällen eine Abfindung erwirkt werden, warnt der Anwalt. Innerhalb dieses Fensters lässt sich die Situation rechtlich bewerten, die Prozesschancen einschätzen und – sofern sinnvoll – eine Abfindung verhandeln oder ein Gerichtsverfahren anstoßen, das häufig in einem Vergleich endet. Wer ein Angebot nach § 1a KSchG erhält, sollte die Voraussetzungen im Kündigungsschreiben genau prüfen. Bei Betriebsänderungen lohnt der Blick in Interessenausgleich und Sozialplan. Steuern, Ruhens- und Sperrzeitfolgen gehören in die Gesamtstrategie. Fazit Eine Abfindung gibt es garantiert nur in eng umgrenzten gesetzlichen Konstellationen – vor allem bei § 1a-Angeboten, gerichtlicher Auflösung und bei Sozialplänen. In der Mehrzahl der Fälle ist sie das Ergebnis kluger Verhandlungen unter Beachtung kurzer Fristen und mit Blick auf Steuer- und Sozialrechtsfolgen. Wer diese Koordinaten kennt, kann realistisch einschätzen, wann sich eine Abfindung erreichen lässt – und wann nicht.
8. September 2025
Mobilität kostet – besonders, wenn gesundheitliche Einschränkungen Wege aufwändiger machen oder ohne Auto gar nichts geht. Steuerlich stehen zwei Hebel bereit, die oft verwechselt werden: der Behinderten-Pauschbetrag (§ 33b EStG) und die Fahrtkosten-Pauschale für behinderungsbedingte Privatfahrten (§ 33 Abs. 2a EStG: 900 € bzw. 4.500 €). Wer seine Steuerlast spürbar senken will, muss wissen, welcher Hebel in welcher Lebenslage stärker greift – und an welcher Stelle Einzelnachweise überhaupt noch Sinn ergeben. Die zwei Hebel – und ihr „Kernunterschied“ Der Behinderten-Pauschbetrag mindert das zu versteuernde Einkommen direkt. Er hängt vom Grad der Behinderung ab und wirkt ohne zumutbare Belastung, also ohne Selbstbehalt. Er ist die „immer-wirksam“-Option für den typischen, regelmäßig wiederkehrenden behinderungsbedingten Mehraufwand – unabhängig davon, wie viel im Alltag tatsächlich ausgegeben wurde. Die Fahrtkosten-Pauschale deckt behinderungsbedingte Privatfahrten ab, und zwar pauschal mit 900 € (GdB ≥ 80 oder GdB ≥ 70 + Merkzeichen G) oder 4.500 € (Merkzeichen aG, Bl, TBl, H). Diese Pauschale zählt zu den außergewöhnlichen Belastungen und wird daher erst wirksam, wenn die zumutbare Belastung überschritten ist. Wichtig: Sie ist abgeltend – wer sie nutzt, kann für behinderungsbedingte Privatfahrten keine höheren Einzelnachweise (Kilometer, ÖPNV, Taxi, Parkkosten) mehr ansetzen. Merkzeichen B erhöht die Fahrtkosten-Pauschale nicht. Es belegt die Notwendigkeit einer Begleitung. Mehrkosten einer zwingend erforderlichen Begleitperson können – je nach Fallgestaltung – zusätzlich als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Für Arzt- und Therapiefahrten gelten gesonderte Regeln (siehe unten). Was gehört wohin? (Kilometer, ÖPNV, Parken) Behinderungsbedingte Privatfahrten: vollständig in der Fahrtkosten-Pauschale enthalten. Keine zusätzliche Kilometerliste, keine extra Parktickets – die Pauschale ist abschließend. Arzt-, Therapie-, Reha-Fahrten: Einzelnachweis bleibt zulässig (Pkw pauschal mit 0,30 €/km oder tatsächliche ÖPNV-/Taxi-Kosten plus Parken). Diese Kosten laufen zusätzlich – jedoch ebenfalls als außergewöhnliche Belastungen und damit nur wirksam oberhalb der zumutbaren Belastung. Arbeitsweg & Dienstfahrten: Pendeln bleibt Entfernungspauschale (ohne separate Parkkosten), Dienst-/Auswärtstermine als Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, nicht bei den außergewöhnlichen Belastungen. „Wann ist was besser?“ – der Entscheidungsrahmen in der Praxis 1. Nur Pauschbetrag oder zusätzlich Fahrtkosten-Pauschale? Der Behinderten-Pauschbetrag wirkt sofort und unabhängig von Schwellen. Die Fahrtkosten-Pauschale lohnt sich nur dann, wenn die Summe der außergewöhnlichen Belastungen die zumutbare Belastung übersteigt. Bei eher niedrigem sonstigem Krankheits- und Pflegeaufwand bleibt die 900-€-Stufe oft wirkungslos; die 4.500-€-Stufe reißt die Hürde in vielen Fällen. 2. Einzelnachweise statt Pauschale für Privatfahrten? Nein. Für behinderungsbedingte Privatmobilität ist die Pauschale ab 2021 „Deckel und Schluss“. Mehr Kilometer, höhere ÖPNV-Tickets oder zusätzliche Parkbelege bringen keinen Mehrabzug. 3. Einzelnachweise bei Heilbehandlung Arzt-, Klinik-, Physio- und Reha-Fahrten bleiben per Einzelnachweis abziehbar (Pkw 0,30 €/km, ÖPNV/Taxi in tatsächlicher Höhe, Parkgebühren dazu). Sie können die zumutbare Belastung mit knacken helfen – zusätzlich neben dem Behinderten-Pauschbetrag und neben der Fahrtkosten-Pauschale (ohne dieselbe Fahrt doppelt zu zählen). 4. Familienstand & Kinder Die zumutbare Belastung sinkt, wenn Kinder da sind und bei niedrigerem Einkommen. Ergebnis: Schon die 900 € können in Familien schneller „durchschlagen“, insbesondere wenn Einzelnachweise für Heilbehandlung dazukommen. 5. Kilometer-Denke zur Einordnung 900 € entsprechen grob 3.000 km à 0,30 €/km, 4.500 € ≈ 15.000 km. Das ist nur ein Größenmaß, denn die Pauschale benötigt keinen Nachweis – hilft aber, Erwartungen zu kalibrieren. Typische Konstellationen – und die Konsequenz G (900 €), alleinstehend, mittleres Einkommen, kaum medizinische Belege: Der Behinderten-Pauschbetrag wirkt immer. Die 900-€-Fahrtkosten-Pauschale scheitert häufig an der zumutbaren Belastung – Erwartung dämpfen. Wer keine nennenswerten außergewöhnlichen Belastungen hat, sieht hier oft keine Steuerwirkung. aG/H/Bl/TBl (4.500 €), alleinstehend, mittleres Einkommen: Die 4.500 € reißen die Schwelle in vielen Fällen. Zusätzliche Heilbehandlungsfahrten per Einzelnachweis erhöhen den Abzug weiter. Der Behinderten-Pauschbetrag läuft davon unabhängig und senkt die Steuer zusätzlich. G (900 €) in Familie mit Kindern, mittleres Einkommen: Die zumutbare Belastung liegt niedriger. 900 € plus ein paar belegte Gesundheitskosten können reichen, um die Schwelle zu übersteigen. Ergebnis: Die Fahrtkosten-Pauschale wird spürbar. Viele Arzt- und Therapiefahrten ohne aG: Hier kann der Einzelnachweis für Heilbehandlung das Zünglein an der Waage sein. Auch wenn die 900 € die Hürde allein nicht schaffen, kann die Summe aller Belege die Schwelle knacken – dann wirkt die Fahrtkosten-Pauschale mit. Der jährliche „Wechsel-Check“ – in fünf Schritten Erstens: Status prüfen. Liegen Voraussetzungen für 900 € (GdB ≥ 80 oder ≥ 70 + G) oder 4.500 € (aG/Bl/TBl/H) vor? Falls ja, Pauschale grundsätzlich ziehen. Zweitens: Behinderten-Pauschbetrag nie vergessen. Er wirkt immer – unabhängig von Schwellen – und addiert sich nicht mit Einzelnachweisen derselben Kostenart. Drittens: Heilbehandlung sauber trennen. Arzt-, Reha-, Therapiefahrten und Zuzahlungen konsequent sammeln. Diese Belege entscheiden regelmäßig, ob die Hürde fällt. Viertens: Familien- und Einkommenssituation einbeziehen. Niedrigere Schwelle bedeutet: Schon 900 € + Belege können reichen. Fünftens: Doppelerfassung vermeiden. Dieselbe Fahrt taucht nicht gleichzeitig als Privatmobilität und als Heilbehandlung auf; Pendeln bleibt außerhalb der außergewöhnlichen Belastungen. Merkzeichen B – was es bringt und was nicht B macht die Fahrtkosten-Pauschale nicht höher. Es dokumentiert die Notwendigkeit einer Begleitung. Entstehen zwangsläufige Mehrkosten durch eine Begleitperson (etwa bei Reisen oder einzelnen notwendigen Fahrten), können diese – im Rahmen des Üblichen und nach Nachweis – als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Für Arzt- und Therapietermine gilt: Muss eine Begleitperson zwingend mit, lassen sich deren Mehrkosten ebenfalls einordnen, solange sie notwendig, angemessen und belegt sind. Praxis-Fazit Harter Hebel für sofortige Wirkung: der Behinderten-Pauschbetrag. Großer Hebel bei starker Einschränkung: die 4.500-€-Pauschale, häufig kombiniert mit belegten Heilbehandlungskosten. Begrenzt wirksam allein: die 900-€-Pauschale – oft erst im Zusammenspiel mit Belegen über der Schwelle. Einzelnachweise schlagen die Pauschale? Nur bei Heilbehandlung – für Privatmobilität ist die Pauschale abschließend. Jährlich rechnen lohnt sich. Familienstand, Einkommen und die tatsächliche Krankheitslast verschieben die Schwellen – und damit die beste Strategie.
8. September 2025
Wenn Krankheit und Kurzarbeit zusammenfallen, treffen zwei Leistungssysteme aufeinander: das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit und das Krankengeld der gesetzlichen Krankenkassen. Wer in welchem Moment zahlt – und wer erstattet – hängt davon ab, wann die Arbeitsunfähigkeit eintritt und wie lange sie dauert. Die folgenden Abschnitte ordnen die wichtigsten Konstellationen rechtssicher ein. Krankheit während laufender Kurzarbeit: Fortzahlung und weiterlaufendes KuG Erkrankt eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer während einer bereits laufenden Kurzarbeit, gilt zunächst das Entgeltfortzahlungsgesetz. Der Arbeitgeber zahlt bis zu sechs Wochen das Entgelt entsprechend der reduzierten „Ist-Arbeitszeit“. Zugleich besteht ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld, so als wäre keine Arbeitsunfähigkeit eingetreten. Praktisch heißt das: Der Arbeitgeber zahlt das KuG in dieser Phase an die erkrankte Person aus und lässt es sich von der Bundesagentur für Arbeit erstatten – genauso, wie bei arbeitsfähigen Beschäftigten auch. Rechtsgrundlage ist die Gleichstellung in § 98 Abs. 2 SGB III; die Bundesagentur bestätigt dieses Verfahren in ihren Weisungen und Merkblättern. Nach sechs Wochen: Die Krankenkasse wird zuständig Endet der Zeitraum der Entgeltfortzahlung, verdrängt das Krankengeld den Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Zuständig ist dann die gesetzliche Krankenkasse. Wichtig für die Höhe: Das Krankengeld während des KuG-Zeitraums richtet sich nach dem Regelentgelt vor Beginn der Kurzarbeit – die kurzarbeitsbedingte Entgeltminderung reduziert das Krankengeld also nicht. Das ergibt sich ausdrücklich aus § 47b Abs. 3 SGB V und wird von den Kassen so umgesetzt. Krankheit schon vor Start der Kurzarbeit: „Krankengeld in Höhe des KuG“ Beginnt die Arbeitsunfähigkeit bereits vor dem ersten betrieblichen KuG-Anspruchszeitraum und läuft die Kurzarbeit erst später an, greift eine Besonderheit: Während des Entgeltfortzahlungszeitraums ist zusätzlich ein „Krankengeld in Höhe des Kurzarbeitergeldes“ zu zahlen. Damit wird vermieden, dass Erkrankte schlechter stehen als Kolleginnen und Kollegen in Kurzarbeit. Ausgezahlt wird dieser Betrag zunächst vom Arbeitgeber, der ihn bei der Krankenkasse erstattet bekommt. Das regelt § 47b Abs. 4 SGB V; der Gesetzestext verpflichtet den Arbeitgeber ausdrücklich zur unentgeltlichen Berechnung und Auszahlung, mit anschließendem Erstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse. Fachkommentare und Praxishinweise erläutern das Verfahren. Wer zahlt was – und wer erstattet wen? Während der ersten sechs Wochen einer Krankheit im KuG-Zeitraum fließen Zahlungen aus zwei Quellen: Entgeltfortzahlung als Arbeitgeberleistung und Kurzarbeitergeld, das der Arbeitgeber nur vorstreckt und sich von der Bundesagentur für Arbeit erstatten lässt. Nach Ablauf der sechs Wochen übernimmt die Krankenkasse das Krankengeld unmittelbar; ein KuG-Anspruch besteht dann nicht mehr. In der Sonderkonstellation „Krank vor KuG-Start“ zahlt der Arbeitgeber zusätzlich das Krankengeld in Höhe des KuG und lässt es sich von der Krankenkasse erstatten. Die Bundesagentur stellt in ihren Merkblättern zudem klar, dass das KuG monatsweise (Anspruchszeitraum) gewährt wird und die Arbeitsunfähigkeit innerhalb dieses Kalendermonats einsetzen muss, damit ein KuG-Anspruch während Krankheit besteht. Berechnungsgrundlagen: Maßgeblich ist das Entgelt vor Kurzarbeit Für das Krankengeld im KuG-Kontext ist das zuletzt vor Eintritt des Arbeitsausfalls erzielte regelmäßige Arbeitsentgelt maßgeblich. Die zuvor eingetretene Kurzarbeit „drückt“ die Bemessung nicht. Das erhöht die Planungssicherheit für Betroffene und Lohnbüros, weil die Krankengeldhöhe nicht von schwankenden Kurzarbeitsquoten abhängt. Krankenkassen und Fachportale stellen diese Berechnungslogik übereinstimmend dar. Entlastung für kleine Arbeitgeber: U1-Erstattung bei Entgeltfortzahlung Unabhängig von Kurzarbeit können kleinere Unternehmen, die am Umlageverfahren U1 teilnehmen, sich einen großen Teil der Entgeltfortzahlung erstatten lassen. Je nach Kasse und gewähltem Satz werden häufig 70 bis 80 Prozent der Aufwendungen erstattet; der Antrag läuft elektronisch über die jeweilige Krankenkasse bzw. die Arbeitgeberversicherung. Diese U1-Erstattung betrifft die Entgeltfortzahlung, nicht das Kurzarbeitergeld. Praxis und Abrechnung: Worauf Lohnbüros achten sollten In der Lohnabrechnung werden Krankheitszeiten im KuG-Monat sorgfältig dem Anspruchszeitraum zugeordnet. Für die Phase der Entgeltfortzahlung zahlt der Arbeitgeber das reduzierte Entgelt und – bei Krankheit während laufender Kurzarbeit – das KuG weiter und beantragt die Erstattung bei der Arbeitsagentur. Tritt die Krankheit dagegen vor dem KuG-Start ein, rechnet der Arbeitgeber zusätzlich das Krankengeld in Höhe des KuG ab und fordert dessen Erstattung bei der Krankenkasse. Nach Ablauf der sechs Wochen meldet er das Ende der Entgeltfortzahlung an die Krankenkasse; diese zahlt von da an das Krankengeld direkt an die versicherte Person. Die Bundesagentur sowie Krankenkassen fassen die Abläufe in Merkblättern und Beratungsblättern zusammen. Fazit Wer im KuG-Zeitraum krank wird, erhält zunächst Entgeltfortzahlung und weiterhin Kurzarbeitergeld; die Bundesagentur für Arbeit erstattet dem Arbeitgeber das KuG. Nach sechs Wochen zahlt die Krankenkasse Krankengeld, bemessen nach dem Entgelt vor Kurzarbeit. Fällt die Krankheit vor den KuG-Start, muss der Arbeitgeber zusätzlich ein „Krankengeld in Höhe des KuG“ auszahlen und bekommt dieses von der Krankenkasse erstattet. So ist sichergestellt, dass Erkrankte durch Kurzarbeit finanziell nicht schlechter gestellt werden als arbeitsfähige Kolleginnen und Kollegen. Hinweis: Die genannten Regeln basieren auf § 47b SGB V sowie den fachlichen Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit und der gesetzlichen Krankenkassen. Im Einzelfall können Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen zusätzliche Vorgaben zur Abrechnung enthalten
8. September 2025
Seit dem 1. Juli 2025 gilt ein erhöhter Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung. Die Nachberechnung des Aufschlags um 1,2 Prozentpunkte für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2025 hat in der Praxis jedoch eine folgenreiche Panne ausgelöst: Bei zahlreichen Neurentnerinnen und Neurentnern wird derselbe Nachzahlungsbetrag ein zweites Mal einbehalten – diesmal von der ersten Rentenzahlung an. Der Sozialrechtsexperte Dr. Utz Anhalt spricht von einer "unnötigen Doppelbelastung ohne sachliche Rechtfertigung". Die Kritik richtet sich an die Deutsche Rentenversicherung (DRV), die bei der technischen Umsetzung auf eine „verwaltungsarme Lösung“ gesetzt habe – einfach für die IT, teuer für Betroffene. Was genau passiert ist Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben den rückwirkenden Pflegebeitragsaufschlag für das erste Halbjahr 2025 bereits über ihre Gehaltsabrechnungen beglichen. Wer erst später im Jahr 2025 in Rente ging, findet nun in seinem Rentenbescheid einen weiteren Einbehalt aufgrund desselben rückwirkenden Aufschlags. Das Ergebnis ist eine doppelte Zahlung für denselben Zeitraum: einmal als Beschäftigte, ein weiteres Mal als Rentenbeziehende. Nach Einschätzung von Rentenberatern trifft dies Millionen von Neurentnerinnen und Neurentnern, die im ersten Halbjahr 2025 noch beitragspflichtig beschäftigt waren und erst danach in den Ruhestand gewechselt sind. „Verwaltungsarme Lösung“ – was hinter dem Begriff steckt Die DRV spricht von einer „verwaltungsarmen“ Umsetzung. Gemeint ist, dass die Nachberechnung pauschal und standardisiert über die Rentenzahlung abgewickelt wird, ohne den individuellen Versicherungsverlauf im ersten Halbjahr 2025 im Detail gegenzurechnen. Für die Behörde spart dieser Ansatz Prüfaufwand. Für die Betroffenen bedeutet er, dass eine bereits über den Lohn abgeführte Nachzahlung im Rentenbezug noch einmal abgezogen wird. Rentenberater kritisieren, die Verwaltung habe ein IT-freundliches Verfahren gewählt, das die Last auf die Versicherten verlagere. Wer besonders betroffen ist Betroffen sind Rentnerinnen und Rentner, die zwischen Januar und Juni 2025 in einem Beschäftigungsverhältnis standen, aus deren Lohn der rückwirkende Pflegebeitragsaufschlag bereits erhoben wurde und die im Laufe des Jahres 2025 erstmals eine gesetzliche Rente beziehen. Für diese Gruppe erscheint der erneute Einbehalt über die Rente als sachlich nicht begründbare Doppelzahlung. Wer bereits vor dem 1. Januar 2025 Rentnerin oder Rentner war oder wer im ersten Halbjahr 2025 keine beitragspflichtige Beschäftigung hatte, ist typischerweise nicht in dieser Konstellation. Rechtliche Einordnung und Streitpunkte Inhalt des Streits ist die Frage, ob die pauschale Nachberechnung über den Rentenbezug rechtlich trägt, wenn für den identischen Zeitraum bereits eine Nachzahlung aus Beschäftigung geleistet wurde. Während die DRV von einer rechtlich gedeckten Vorgehensweise ausgeht, halten Kritiker entgegen, dass es an einer materiellen Grundlage für den zweiten Einbehalt fehlt. Das Prinzip der Beitragsgerechtigkeit fordere eine Vermeidung von Doppelbelastungen. Entscheidend ist am Ende der Einzelfall: maßgeblich sind der Versicherungsverlauf und die dokumentierten Abzüge im ersten Halbjahr 2025. So prüfen Betroffene ihren Rentenbescheid Wer 2025 neu in Rente gegangen ist, sollte den Rentenbescheid und die Zahlungsmitteilung sorgfältig lesen. Relevante Anhaltspunkte sind der Ausweis des Pflegeversicherungsbeitrags, Hinweise auf rückwirkende Abzüge sowie der Zeitraum, auf den sich die Nachberechnung bezieht. "Parallel lohnt der Blick in die Gehaltsabrechnungen Januar bis Juni 2025: Ist dort eine rückwirkende Erhöhung des Pflegebeitrags ausgewiesen, liegt es nahe, dass diese Nachzahlung bereits erfolgt ist", sagt der Experte "Stimmen Indizien für eine Doppelbelastung überein, empfiehlt sich eine formale Reaktion", so Anhalt. Fristen und Wege: Widerspruch oder Überprüfungsantrag Gegen einen Rentenbescheid kann grundsätzlich binnen eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden. Diese Frist ist kurz und strikt. Ist sie bereits verstrichen, bleibt der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Mit ihm lässt sich – unabhängig von der Widerspruchsfrist – die Rechtmäßigkeit eines bestandskräftigen Bescheids überprüfen. Voraussetzung ist, dass der Bescheid von Anfang an rechtswidrig war und dadurch Beiträge zu Unrecht erhoben wurden. In beiden Fällen gilt: Sorgfältige Begründung und Belege erhöhen die Erfolgsaussichten.
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Täglich erreichen uns zahlreiche Emails mit wiederkehrenden. Noch immer herrscht eine große Verunsicherung gegenüber den zahlreichen Sozialgesetzen und deren Auswirkungen im Alltag. Wir haben einige dieser Fragen zusammengestellt und veröffentlichen hiermit unsere Antworten. Wichtige Fragen & Antworten
Forum zum Bürgergeld
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"Ratschläge & Meinungen" austauschen ist das Motto unseres Forums. Hier hast Du die Möglichkeit Dich kostenlos anzumelden und mit über 20.000 Forenteilnehmer zu diskutieren sowie wichtige Fragen zum Bürgergeld zu stellen.
Selbstverständnis
Von der Arbeitsmarktreform sind Millionen von Menschen betroffen. Vieles ist im SGB II unklar und auf die individuellen Bedarfe des Einzelnen zu pauschal ausgelegt. Laut einiger Erhebungen, sollen nur rund 50 Prozent aller Bescheide der Jobcenter mindestens teilweise falsch und rechtswidrig sein. Das bedeutet für die Menschen oft tatsächliche Beschneidungen in Grundrechten und Ansprüchen.
Diese Plattform will daher denen eine Stimme geben, die kein Gehör finden, weil sie keine gesellschaftliche Lobby besitzen. Bezieher von Bürgergeld (ehemals Hartz IV) werden nicht selten als "dumm" oder "faul" abgestempelt. Es reicht nicht, dass Leistungsberechtigte mit den täglichen Einschränkungen zu kämpfen haben, es sind auch die täglichen Anfeindungen in den Jobcentern, in der Schule, in der Familie oder auf der Straße. Neben aktuellen Informationen zur Rechtssprechung konzentrieren wir uns auch auf Einzelfälle, die zum Teil skandalös sind. Wir decken auf und helfen damit den Betroffenen. Denn wenn eine Öffentlichkeit hergestellt wurde, müssen die Jobcenter agieren. Sie bekommen dadurch Druck. Lesen Sie mehr darüber in unserem redaktionellem Leitfaden!